Trauer ist eine natürliche Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen, tierischen Begleiters oder einer wichtigen Lebenssituation. Sie gehört zum Leben – doch nicht immer können oder wollen wir uns ihr direkt stellen. Verdrängung ist dabei ein ganz normaler und sogar wichtiger Schutzmechanismus unserer Psyche. Sie hilft uns, in akuten Belastungssituationen handlungsfähig zu bleiben, uns zu stabilisieren und Schritt für Schritt mit dem Unbegreiflichen umzugehen.
Problematisch wird Verdrängung erst dann, wenn sie dauerhaft anhält.
Wenn wir unsere Gefühle über lange Zeit wegschieben, sie unterdrücken oder ignorieren, kann das körperliche und seelische Folgen haben. Unverarbeitete Trauer verschwindet nicht – sie sucht sich andere Wege, oft in Form von Erschöpfung, innerer Leere oder körperlichen Symptomen.
In diesem Beitrag erfährst du:
💭 warum wir Trauer überhaupt verdrängen,
⚠️ woran du erkennst, dass du (oder jemand in deinem Umfeld) Trauer unterdrückst,
💡 und wie du auf gesunde Weise lernen kannst, deiner Trauer wieder Raum zu geben – in deinem Tempo und ohne Überforderung.
Warum wir Trauer verdrängen
Ein Verlust bringt enormen Stress und ausgeprägte Ängste in unser Leben, so sehr, dass unsere angeborene Kampf-oder-Flucht-Reaktion auslöst wird. Wenn sich die Welt komplett fremd und existentiell gefährlich anfühlt fühlen wir uns unsicher. Das führt verständlicherweise oft dazu, dass wir unserer Trauer aus dem Weg gehen und uns ablenken weil es uns ein wenig das Gefühl gibt die Kontrolle zu haben.
Der Gedanke, sich mit der eigenen Trauer auseinanderzusetzen, kann überwältigend sein. Viele fürchten sich davor, dass die Auseinandersetzung mit ihren Gefühlen sie noch tiefer in die Traurigkeit stürzt. Hinzu kommt der gefühlte gesellschaftliche Druck, schnell wieder leistungsfähig zu sein und die eigenen Emotionen im Griff zu haben, was dazu führen kann, dass Menschen ihre Trauer verstecken oder verunsichert sind ob sie ‚richtig‘ trauern.
Verdrängen als Schutzmechanismus
Trauern ist anstrengend und kostet uns sehr viel Energie. Schwierige Gefühle zeitweise auszublenden, kann uns eine Pause vom intensiven Fühlen ermöglichen, uns helfen, unsere Batterien wieder aufzuladen oder im Alltag handlungsfähig zu bleiben.
Das beschreibt auch das Duale Prozessmodell von Stroebe & Schut, nach dem Trauernde zwischen zwei Polen pendeln: der Verlustorientierung, in der Schmerz, Traurigkeit und Erinnerungen Raum bekommen und der Wiederherstellungsorientierung, in der der Fokus auf Ablenkung, Stabilisierung und Alltagsbewältigung liegt.
Dieses natürliche Hin-und-Her ist kein Zeichen von Verdrängung, sondern ein gesunder Weg, um langsam mit dem Verlust zu leben (hier kannst du mehr dazu lesen).
Problematisch wird es erst, wenn wir dauerhaft im Modus der Vermeidung bleiben. Nicht verarbeitete Trauer verschwindet nämlich nicht einfach, wenn wir die Augen davor verschließen oder gegen sie ankämpfen. Bei ausgeprägter Verdrängung kehren wir immer wieder an den gleichen Punkt zurück, an dem wir begonnen haben – nur mit weniger Energie. Denn Verdrängung kostet Kraft. Stress und Angst können sich dadurch sogar steigern, was wiederum den Wunsch nach noch mehr Verdrängung verstärkt – eine echte Abwärtsspirale.
Wie äußert sich verdrängte Trauer?
Verdrängte Trauer erkennen – 6 typische Symptome:
- Du ignorierst Gefühle oder negierst sie. Sobald du traurige Gedanken und Emotionen wie Wut oder Traurigkeit hast versuchst du aktiv sie auszublenden oder du redest innerlich dagegen an.
- Du meidest konsequent bestimmte Orte oder Situationen, die dich an deinen Verlust erinnern.
- Du machst alles um dich abzulenken und beschäftigst dich extrem viel und oft mit Arbeit, Hobbys oder sozialen Aktivitäten, um nicht an deine Trauer denken zu müssen.
- Du schiebst Wichtiges auf, wie z.B. Entscheidungen oder Gespräche und vermeidest es, dich mit deinem Verlust auseinanderzusetzen.
- Du hast extreme körperliche Symptome wie ständige Migräne, Erschöpfung, Rückenschmerzen, Verdauungsprobleme, Gewichtsabnahme oder -zunahme, Übelkeit und Schwindel, Zittern, Haarverlust, Enge in der Brust
- Du nutzt Alkohol oder andere Drogen um deinen Verlust auszublenden und nichts spüren zu müssen.
Jeder Mensch trauert anders, daher fallen auch Anzeichen und Symptome immer individuell aus. Die genannten Punkte können teilweise auch bei gesunden Bewältigungsstrategien auftreten oder auch Hinweise auf andere Umstände sein, wie z.B. Traumata. Wichtig ist es vor allem sich selbst zu beobachten und sich ggfs. Hilfe zu holen wenn du denkst, dass verdrängte Trauer bei dir eine Rolle spielen könnte.
Die Folgen unterdrückter Trauer
Wenn du deine Trauer permanent verdrängst, befindest du in einer Endlos-Schleife der Kampf-oder-Flucht-Reaktion und das ist absolutes Gift für dein Nervensystem. Das Verdrängen von Trauer kann kurzfristig Erleichterung verschaffen, führt aber langfristig oft zu mehr Leiden.
Unterdrückte Emotionen können sich in Form von ernsthaften körperlichen Krankheiten, Angstzuständen oder Depressionen führen. Zudem kann das Ignorieren von Gefühlen dazu führen, dass sie sich verstärken und schließlich unkontrollierbar werden. Gefühle unterdrücken kann dich langfristig krank und noch unglücklicher machen. Daher ist es wichtig, unseren Trauer-Gefühlen ein Ventil zu geben. Alles was rauskommen und gefühlt werden darf, schafft Erleichterung. Alles was wir verdrängen, verschiebt sich nur und staut sich an.
Trauer zulassen statt verdrängen – 5 gesunde Wege
- Emotionen akzeptieren und zulassen: Erlaube dir selbst zu fühlen – sei es Wut, Traurigkeit oder Freude an schönen Erinnerungen. Um die Angst und das Gefühl von Kontrollverlust in Grenzen zu halten kannst du dich zu Beginn erst einmal nur ein paar Sekunden deinen Gefühlen aussetzen und die Dauer dann langsam steigern.
- Offen kommunizieren: Sprich über deine Gefühle mit FreundInnen oder Familienmitgliedern. Das Teilen deiner Gedanken kann entlastend wirken.
- Selbstfürsorge praktizieren: Achte auf deine körperliche und emotionale Gesundheit durch ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Bewegung. Versuche deinen Tag so zu planen, dass du genug Pausen für dich hast.
- Rituale schaffen: Schaffe in deinem Alltag Rituale, wie z.B. Kerzen anzünden, einen Brief schreiben, innerlich mit deinen Verstorbenen reden. Schaffe aktiv einen Platz für deine Trauer in deinem Leben.
- Professionelle Hilfe suchen: Wenn du merkst, dass du alleine nicht weiterkommst, suche dir Unterstützung bei TrauerbegleiterInnen, TherapeutInnen oder einer Selbsthilfegruppe. Gerne gebe ich dir unverbindliche Informationen dazu.
Gesunde Bewältigungsstrategien ermöglichen es dir nicht nur, deine Trauer besser zu verarbeiten; sie fördern auch dein emotionales Wohlbefinden insgesamt.
Trauer anerkennen und heilen
Wenn du möchtest, habe ich noch eine kleine Aufgabe für dich: Nimm dir jeden Tag fünf Minuten Zeit für dich selbst und reflektiere deine Emotionen. Schreibe nur für dich auf, was du in diesem Moment fühlst, ohne es zu bewerten. Dies kann dir helfen, einen klareren Zugang zu deinen inneren Empfindungen zu finden und den ersten Schritt zur Verarbeitung deiner Trauer zu gehen.
Und denke daran: Alle Gefühle sind ok! 🙂
Häufige Fragen zur Verdrängung von Trauer
❓ Warum verdränge ich meine Trauer manchmal automatisch?
Es ist völlig normal, dass wir Trauer zeitweise verdrängen – unser Körper schützt sich so vor Überforderung. Kurzzeitige Verdrängung ermöglicht uns Pausen, um handlungsfähig zu bleiben, Energie zu tanken und den Alltag zu bewältigen. Erst wenn die Verdrängung dauerhaft wird, kann sie schädlich sein.
💡 Was ist der Unterschied zwischen normaler und problematischer Verdrängung?
Normale, zeitweilige Verdrängung ist ein Schutzmechanismus und Teil des natürlichen Trauerprozesses. Problematisch wird es, wenn Gefühle über Monate oder Jahre dauerhaft unterdrückt werden – dann staut sich die Trauer, körperliche Beschwerden können auftreten und die emotionale Verarbeitung verzögert sich.
🧠 Wie erkenne ich, dass ich meine Trauer verdränge?
Anzeichen für verdrängte Trauer können sein: intensive Ablenkung z.B. durch Arbeit oder Hobbys, das Meiden von Erinnerungsorten, körperliche Symptome wie Migräne, Rückenschmerzen oder Schlafstörungen, oder ständiges „beschäftigt sein müssen“. Beobachte dich selbst und achte darauf, ob Gefühle regelmäßig hochkommen, oder dauerhaft blockiert bleiben.
💬 Wie kann ich gesund mit verdrängter Trauer umgehen?
Erlaube dir, Gefühle bewusst zu spüren, auch wenn es nur kurz ist. Sprich mit vertrauten Menschen über deine Trauer, nutze Rituale wie Briefe schreiben oder Kerzen anzünden, und sorge für Selbstfürsorge durch Schlaf, Bewegung und Pausen. Professionelle Hilfe kann sinnvoll sein, wenn du merkst, dass du alleine nicht weiterkommst.
Wenn du dich in diesem Artikel wiederfindest und dir Begleitung wünschst
Ich begleite dich gerne auf deinem Weg durch die Trauer. → hier kannst du mich kontaktieren