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Trauerbewältigung: 12 erstaunliche Dinge, die dir niemand über Trauer sagt – und die dir dabei helfen können mit ihr umzugehen

Nach dem Verlust meines Bruders war ich völlig unvorbereitet auf die Welle von Emotionen, die mich überrollte. Mir war zwar klar, dass Trauer schmerzhaft ist, aber was ich nicht wusste, war, wie komplex und vielschichtig der Prozess der Trauerbewältigung wirklich ist. 

Wenn du gerade versuchst, mit einem Verlust umzugehen, wirst du merken, dass Trauerbewältigung nicht so verläuft, wie viele denken. In diesem Artikel erfährst du, was Trauer wirklich bedeutet, welche Phasen und Gefühle dich erwarten können – und warum es völlig normal ist, dass Trauer anders aussieht, als du es vielleicht vermutet hast. Ich teile mit dir Erkenntnisse, die mir auf meiner Trauerreise begegnet sind und von denen andere Trauernde mir berichtet haben – Dinge, die uns vorher niemand gesagt hat und die aber dabei helfen können mit dem Schmerz umzugehen.

#1 Trauer ist nicht nur Traurigkeit

Trauer wird oft als reine Traurigkeit dargestellt, doch das ist nur ein Teil des Ganzen. Sie kann sich in vielen Formen zeigen: Wut, Hilflosigkeit, Schmerz, Angst, Verzweiflung, Liebe, Sehnsucht, Leere, Erinnerungen, Schuldgefühle, Verwirrung oder sogar Erleichterung. Manchmal fühlst du dich fröhlich und schuldig dafür, dass du lachst. Manchmal bist du eher taub und willst einfach nur schweigen. An manchen Tagen zerreißt dir der Schmerz deine Seele und du lässt die Tränen aus deinem Körper fließen. An Anderen breitet sich eine seltsame Leere aus, die im Hintergrund lauert oder du bist wütend aber weißt gar nicht worauf. All diese Gefühle und Stimmungen sind Teil deines Trauerprozesses.

#2 Trauer kommt in Wellen

Trauer ist wie eine unberechenbare Welle – manchmal kommt sie sanft und leise daher, während sie dich in anderen Momenten mit voller Wucht trifft. In einem Moment ist alles stabil und ruhig und in der nächsten Minute wirst du plötzlich von einer Flutwelle von Blitzen, Erfahrungen und Erinnerungen überwältigt. Diese Unvorhersehbarkeit kann sehr frustrierend sein. Trauer kommt unangekündigt und weigert sich zu gehen, bis du sie wirklich gespürt hast.

Und auch wenn es verdammt weh tut, die Wellen zu spüren und mit ihnen zu fließen ist der einzige Weg, den eigenen Frieden mit der Trauer zu finden. Erkenne der Trauer da zu sein, dich einzunehmen, spüre den verdammten Schmerz und lass ihn herausfließen. Dieser Schmerz, den du fühlst, ist all die Liebe, die nirgendwo hingehen kann.

#3 Trauer und Trauerbewältigung verlaufen nicht linear

Viele Menschen (unbewusst) nehmen an, dass der Trauerprozess einem klaren Verlauf folgt – von Schock über Akzeptanz bis hin zur Heilung. In Wirklichkeit gibt es keine festgelegte Reihenfolge (→ mehr dazu in meinem Artikel über Trauerphasen). Du wirst vielleicht einen Schritt vorwärts machen und dann wieder zwei Schritte zurückfallen. Das ist Teil des Prozesses. Trauer hat auch Zeitplan, nach dem es dir nach soundso vielen Monaten besser gehen muss. Manche Wunden heilen nie. Manche Lücken können nie gefüllt werden. Die Trauer hilft uns dabei zu lernen, um diese Lücke herum zu leben und sie in unser Leben zu integrieren. (→ schau dir dazu auch meinen Artikel über die Dauer der Trauer an).

#4 Trauer verändert dich – es gibt kein „Back to normal“

Der Verlust eines geliebten Menschen wirkt sich auf viel mehr Arten aus, als dir bewusst ist. Er hinterlässt Spuren in deinem Leben und deiner Persönlichkeit. Du wirst nicht einfach zu dem Menschen zurückkehren können, der du einmal warst. Trauer verändert dich auf eine Weise, die du manchmal selbst nicht verstehst. Es verändert die Art und Weise, wie du dich selbst, dein Leben und deine Beziehungen betrachtest. Du veränderst dich, deine Welt kann sich anfühlen wie ein fremder Planet ohne deinen geliebten Menschen und dieser Mensch ist ein Teil von dem Menschen der du warst. Trauern heißt, mit deiner neuen Realität leben zu lernen und herausfinden, wer du jetzt bist.

#5 Trauer bringt Familien nicht unbedingt näher zusammen

Oft wird angenommen, dass der gemeinsame Schmerz Familien zusammenschweißt und es ist wunderbar und kann eine große Unterstützung sein, wenn es tatsächlich so ist. Doch das Gegenteil kann auch der Fall sein: Vorherige/ältere Konflikte können aufbrechen oder Neue entstehen. Unterschiedliche Bewältigungsmechanismen, Verhaltensweisen oder Rollenverständnisse können zu Missverständnissen führen und Spannungen erzeugen. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass alle ihre eigene Art haben zu trauern. Manchmal kann es aber hilfreich sein, (zeitweise) etwas auf Abstand zu gehen um deine mentale Gesundheit zu schützen. Du bist nicht verpflichtet, zu Menschen in deinem Leben intensiven Kontakt zu halten, wenn dieser dich mehr kostet als guttut.

#6 Die meisten Menschen werden nicht verstehen, warum du Monate/Jahre nach dem Verlust traurig bist

Wenn im Film jemand stirbt kann das dramatisch sein, danach gibts vielleicht noch eine Beerdigungsszene aber normalerweise wars das dann auch. Niemand ist sichtbar lange traurig oder reagiert irgendwie realistisch auf einen Verlust. Tatsächlich hört Trauer nicht auf, wenn die Beerdigung endet oder soundsoviel Zeit seitdem vergangen ist. Genau diese unrealistische Vorstellung scheint aber in der Gesellschaft fest verankert zu sein. Trauer ist eine Erfahrung, die sich immer begleiten wird, ebenso wie die Erinnerung an deinen Menschen. Sie entwickelt sich weiter, kriecht in jede Ecke deines Lebens während sich gleichzeitig die Welt für alle anderen weiterdreht.

Viele Menschen um dich herum werden möglicherweise nicht nachvollziehen können, warum du auch nach Monaten oder Jahren (zeitweise) traurig bist. Vielleicht erwarten sie, dass du ‚darüber hinweg‘ bist und ermutigen dich es zu ‚überwinden’. Das kann isolierend wirken und lässt dich vielleicht fragen, ob alles mit dir in Ordnung ist. Denke immer daran: Deine Gefühle sind wichtig und richtig.

#7 Trauer kann sich körperlich zeigen und dir dein Gehirn vernebeln

Trauer hat nicht nur emotionale Auswirkungen; sie kann auch körperliche Symptome hervorrufen, die aber oft nicht mit der Trauer in Verbindung gebracht werden, besonders wenn sie längere Zeit nach dem Verlust eintreten oder sehr lange anhalten. Der Stress der Trauer erfordert eine Menge Gehirnleistung, denn dein Gehirn versucht etwas zu verarbeiten, was nicht gelöst werden kann. Es durchwühlt Erinnerungen und beschäftigt sich auf Hochtouren damit, wie es mit dem Verlust umgehen kann. Du könntest dich dadurch (dauerhaft) müde fühlen, Schmerzen in bestimmten Körperregionen haben oder Schwierigkeiten, dich zu konzentrieren.

Dein Gehirn kann sich wie in einem Nebel anfühlen – das ist normal und sollte als Trauerreaktionen ernst genommen werden. 

#8 Smalltalk erscheint dir sinnlos und kann dich irritieren

Wenn wir akut trauern, kann uns Smalltalk neben dem was uns gerade beschäftigt als oberflächlich oder bedeutungslos erscheinen. Gespräche über alltägliche Dinge, wie das neue Restaurant um die Ecke können irritierend wirken oder sogar unangenehm sein. Schwierig wird es auch wenn sich jemand über die eigene, lebende Person beschwert, während deine tot ist. Es ist okay, wenn du dich in solchen Momenten zurückziehen möchtest. Du bist nicht unhöflich, weil du kein Interesse den den Themen der Anderen hast. Du bist emotional zu beschäftigt, um deine Energie in etwas zu investieren, was dir gerade bedeutungslos erscheint.

#9 Wenn du weniger an deine*n Liebste*n denkst, heißt das nicht, dass du vergisst

Es gibt Momente im Leben nach dem Verlust, in denen wir weniger an den geliebten Menschen denken oder weniger intensiv fühlen. Manche Trauende geraten dann in Panik, wenn sie merken, dass die Zeit vergangen ist, ohne, dass sie von Gedanken an ihre Person eingenommen werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass du sie vergisst oder weniger liebst; es zeigt vielmehr an, dass deine Seele versucht zu heilen und vielleicht eine Pause vom aktiven Trauern und Erinnern macht. 

#10 Du wirst wahrscheinlich einige Freund*innen verlieren und andere gewinnen

Trauer verändert Beziehungen – manche (auch sehr enge) Freundschaften werden durch den Verlust belastet und verändern sich dadurch oder enden sogar ganz. Für Trauende kann es schwierig sein, sich mit anderen auszutauschen, die keinen schweren Verlust erlebt haben und für Nicht-Trauenden kann es schwer sein, die/den Trauende/n zu verstehen oder deren/dessen Gefühle mitzutragen. Wenn sich die Beziehungen während einer der schwierigsten Zeiten des Lebens ändern, fühlt sich das oft wie ein zusätzlicher Verlust an (weil auch das ein Verlust ist). Gleichzeitig kannst du neue Freund*innen finden oder bestehende Beziehungen mit Menschen vertiefen, die deine Erfahrungen verstehen und dich unterstützen.

#11 Im Laufe der Zeit tauchen vielleicht neue Auslöser für deine Trauer auf

Trauer entwickelt sich im Laufe der Zeit und was dich jetzt triggert, wird dich später kaum noch berühren, oder umgekehrt. Auch Jahre nach dem Verlust können neue Auslöser für deine Trauer auftauchen – sei es ein Lied im Radio oder ein bestimmter Geruch oder eine Person, die ähnlich aussieht wie dein*e Verstorbene*r oder der Meilenstein den du erreicht hast und nicht mehr mit deiner Person teilen kannst. Das bedeutet NICHT, dass du einen ‚Rückschritt‘ machst; es zeigt einfach an, dass die Erinnerungen weiterhin lebendig sind und dass du verschiedene Lebensphasen durchläufst. Das zeigt, dass Trauer nicht immer von Jahr zu Jahr gleich bleibt, und das ist in Ordnung.

#12 Du musst deinem Verlust keinen Sinn geben

Auch wenn es dir vielleicht manchmal suggeriert wird, du musst deinem Verlust keinen Sinn geben oder eine Lektion daraus ziehen. Du musst keinen Podcast starten, ein Buch über deinen Verlust schreiben oder einen Verein gründen. Trauerbewältigung ist kein Selbstverbesserungsprojekt. Dein Verlust ist und bleibt deine persönliche Katastrophe auch ohne all das. Manchmal gibt es einfach keinen Grund für den Schmerz – er ist da und muss gefühlt werden. Trauer zu überleben ist genug. Du kannst das Schwierige schwer sein lassen, ohne es zu etwas zu machen. Erlaube dir selbst diesen Raum ohne Druck. 

Trauerbewältigung ist kein gerader Weg. Sie ist ein Prozess voller Höhen und Tiefen – und jede Erfahrung ist einzigartig. Wenn du lernst, mit deiner Trauer zu leben statt gegen sie anzukämpfen, beginnt Heilung auf eine leise, achtsame Weise. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es dass es kein „richtig“ oder „falsch“ im Umgang mit Trauer gibt – es gibt nur deinen eigenen Weg.


Häufige Fragen zur Trauerbewältigung

💬 Wie lange dauert Trauerbewältigung?
Trauer hat keinen festen Zeitrahmen. Jeder Mensch trauert anders – abhängig davon, wie nah die Beziehung war, wie der Verlust erlebt wurde und wie viel Unterstützung vorhanden ist. Mit der Zeit verändert sich die Intensität der Trauer, aber sie verschwindet nicht einfach. Sie wird Teil des eigenen Lebens, und das ist völlig in Ordnung.


🌊 Was hilft bei der Trauerbewältigung?
Hilfreich ist alles, was dir erlaubt, deine Trauer zu fühlen, statt sie zu unterdrücken: ehrliche Gespräche, Schreiben, Rituale oder professionelle Begleitung. Auch Bewegung, Natur und Ruhezeiten können helfen, den Körper zu entlasten. Trauerbewältigung bedeutet nicht, den Schmerz zu „lösen“, sondern mit ihm leben zu lernen.


🕊️ Wie erkenne ich, ob ich Unterstützung brauche?
Wenn du merkst, dass dich deine Trauer dauerhaft lähmt, du dich zurückziehst oder keine Freude mehr empfinden kannst, kann Unterstützung hilfreich sein. Eine Trauerbegleitung bietet einen sicheren Raum, in dem alles da sein darf – Schmerz, Wut, Erinnerungen und auch das, was du selbst noch gar nicht benennen kannst.


❤️ Ist es normal, nach Jahren noch traurig zu sein?
Ja. Trauer hört nicht auf, sie verändert nur ihre Form. Auch Jahre später können Erinnerungen oder bestimmte Tage dich tief berühren. Das ist kein Rückschritt, sondern ein Zeichen von Verbundenheit und Liebe.


Wenn du Begleitung bei deiner Trauerbewältigung suchst

Du musst deinen Weg durch die Trauer nicht allein gehen. Ich begleite Menschen in Einzelgesprächen durch den Prozess der Trauerbewältigung – ehrlich, feinfühlig und auf Augenhöhe. → Hier kannst du mehr über meine Begleitung erfahren. Gerne kannst du mir auch schreiben oder lass uns direkt kennenlernen.

Welche Erkenntnisse hattest du bisher auf deinem Trauerweg? Oder was hättest du gerne vorher über Trauer und Trauerbewältigung gewusst? Ich freue mich über deinen Kommentar!

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