Die Frage „Wie lange dauert Trauer?“ gehört zu den häufigsten Fragen, die Trauernde stellen – und zu den meistgesuchten im Internet. Viele Menschen wünschen sich eine klare Antwort oder einen Zeitrahmen für ihre Trauerbewältigung: Wann hört der Schmerz endlich auf? Wann wird es leichter?
Ich kenne diese Sehnsucht sehr gut – nach dem Tod meines Bruders war eine meiner ersten Fragen an meine Therapeutin: „Wie lange dauert es, bis es mir besser geht?“
Heute weiß ich: Es gibt keine feste Dauer für Trauer. Und warum das so ist, erkläre ich dir in diesem Beitrag.
Wenn du dich auch fragst, ‚wie lange dauert Trauer eigentlich?‘, dann ist dieser Artikel für dich.
Ich habe mir damals so sehr eine Art Fahrplan gewünscht, der mir sagt welche Schritte oder Phasen ich durchleben muss um am Ende erfolgreich von meinem Schmerz ‚geheilt‘ zu sein. Ich hätte fast alles gegeben um das zu erreichen, hätte mir nur jemand gesagt, wie.
Vielleicht geht es dir ähnlich. Vielleicht willst du wissen wie lange die intensiven Gefühle, der Schmerz anhalten werden. Vielleicht fragst du dich ob dein Leben jetzt immer so sein wird oder ob es dir irgendwann besser gehen wird.
Warum wir keine einfache Antwort auf „Wie lange dauert Trauer?“ bekommen
Zuerst müssen wir einen Schritt zurück machen. Denn die Vorstellungen, die wir im Allgemeinen über die Dauer von Trauer haben und auch die Annahmen auf denen diese basieren, sind ziemlich falsch.
Was mir damals am Anfang meiner Trauerreise nicht bewusst war: mein inneres Erdbeben und meine Verzweiflung durch den Tod meines Bruders sind auf einen tief verankerten Glaubenssatz getroffen: ‚Wenn ich mich schlecht fühle stimmt etwas nicht mit mir.‘
Wie die Gesellschaft unseren Umgang mit Trauer beeinflusst
Wir haben als Gesellschaft verinnerlicht, dass jedes unangenehme, schmerzhafte Gefühl sofort beseitigt werden muss. Wir bekommen ganz schnell das Gefühl, dass etwas nicht stimmen kann wenn wir uns schlecht fühlen. In einer Welt in der medizinisch fast alles möglich ist, sind wir es gewohnt, dass Leid häufig nicht länger als ein paar Wochen oder Monate andauert. Wir verdrängen Trauer und Schmerz und haben daher oft bewusst oder unbewusst das Ziel, aus der Trauer herauszukommen. Und das zeigt sich auch in der Frage nach der Dauer der Trauer.
Warum Trauer keine kurzfristige Reaktion ist
Es herrscht noch zu häufig die Annahme, dass Trauer eine kurzfristige Reaktion auf eine Verlust ist und innerhalb von ein paar Wochen oder Monaten abschlossen ist. Das wird uns nicht nur von der Gesellschaft und unserem Umfeld suggeriert, sondern ist auch in der 2022 neu geschaffenen Diagnose ‚Anhaltende Trauerstörung‘ (die zurecht umstritten ist) verankert worden. Laut dieser wird intensiver emotionaler Schmerz nach mehr 6 Monaten offiziell als ‚Störung‘ angesehen. Spätestens nach einem Jahr scheint es in unserem Umfeld kaum noch Verständnis für unsere Trauer zu geben. Meist sind die Menschen um uns herum wieder zur Normalität übergegangen und wir haben das Gefühl, dass wir weniger über unsere Gefühle sprechen können.
Unsere Trauer ist aber natürlich noch da, manchmal intensiver als je zuvor.
Weil wir als Gesellschaft zu wenig über die gelebte Realität von Trauer sprechen, zweifeln Trauernde an sich, wenn sie nach 6 Monaten oder einem Jahr ‚immer noch‘ trauern. Sie spüren den Druck, richtig (am besten leise) zu trauern und den Tod schnell zu verarbeiten. Trifft das aus ihrer Sicht nicht zu, fühlen sich als stimme etwas mit ihnen nicht oder als wären sie gescheitert.
💡Was das „Trauerjahr“ wirklich bedeutet – und warum es nichts mit Trauer zu tun hat
Das ‚Trauerjahr‘ hat seinen Ursprung im römischen Reich und rein gar nichts mit Trauer zu tun. Tatsächlich wurde es Witwen nach dem Tod des Mannes auferlegt und diente der Sicherung der Vaterschaft für Kinder die nach dem Todesfall geboren wurden.
Vielleicht interessiert dich dazu auch mein Artikel zum Thema Trauermythen.
Warum Trauer keinen festen Zeitplan hat
Man kann Trauer nicht ordentlich oder vorhersehbar machen. Das zweite Jahr nach einem Verlust ist oft genauso schwierig oder sogar noch schwieriger als das erste Jahr. Auch nach 10, 20, 30 oder mehr Jahren gibt es Zeiten, die schwer sein können. Trauer ist so individuell wie unsere Liebe und Verbindung zueinander und hat ihren eigenen Zeitplan. Unsere Verluste werden mit der Zeit ein Teil von uns und die Traurigkeit darüber bleibt auch wenn sie sich verändert.Das heißt nicht, dass wir etwas falsch machen oder zwangsläufig eine Störung haben. Es heißt, dass wir miteinander verbunden bleiben und dass wir diese wichtige Beziehungen mit uns tragen.
Wenn du glaubst, deine Trauer dauert zu lange
Wenn du das Gefühl hast, dass etwas mit dir nicht stimmt weil du immer noch trauerst, möchte ich dir sagen: Mit dir ist alles in Ordnung. Deine Trauer dauert so lange wie sie dauert. Du bist ein Mensch und Trauer gehört zu deinem Mensch-sein. Dass Trauer schwer ist, bedeutet nicht, dass sie falsch ist. Trauer bleibt so lange wie die Verbindung zu deinem Menschen/ tierischen Freund. Sie wirkt sich auf deine Zukunft ebenso aus wie auf deine Gegenwart.
Trauer ist die Zeit, die uns durch den Prozess des Loslassens führt – von dem, was wir waren, von dem, was wir zu sein hofften, von den Illusionen, die wir einst fest im Griff hatten aber NIE von unseren Verstorbenen. Das kann unglaublich schmerzhaft sein und gleichzeitig ist Trauer auch mächtig. Denn wenn wir es zulassen, kann die Trauer genau der Weg sein, der uns zu einer neuen Ganzheit führt.
Wie sich Trauer im Laufe der Zeit verändert
Ich kann dir nicht sagen, wie lange deine Trauer so schwer bleiben wird. Aber ich kann dir sagen, dass sie irgendwann ein wenig leichter wird, manchmal nur kurz, dann wieder länger, dann vielleicht wieder etwas schwerer. Trauer kommt in Wellen. Was jetzt schwer ist, wird vielleicht später kein Thema mehr für dich. Vielleicht hast du zu einem anderen Zeitpunkt andere Herausforderungen.
Deine Trauer ist lebendig, sie verändert sich und sie verändert dich und du lernst mit ihr umzugehen und das wird dir helfen. Das bedeutet nicht, dass du ‚darüber hinwegkommst’, sondern dass es möglich ist, wieder Freude am Leben zu finden und ein neues Leben um das Loch, dass dein Verlust hinterlassen hat, aufzubauen.
Was dir statt dessen hilft mit Trauer umzugehen
Ein Schlüssel dazu ist dein Fokus: auf das HIER&JETZT und auf DICH, gepaart mit Geduld und Mitgefühl mit dir selbst. Anstelle von ‚Wie lange dauert Trauer?‘ oder ‚Wie lange wird es mir noch so schlecht gehen?‘ könntest du dich fragen: ‚Was ich kann ich jetzt/heute machen, das mir gut tun würde‘? Das kann dazu betragen, dass du deine Bedürfnisse besser erkennen und gut für dich sorgen kannst. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, was helfen kann, schau mal in meinen Artikel l ‚12 erstaunliche Dinge, die die niemand über Trauer sagt‚.
Trauer kann man nicht vergleichen
Ich weiß, es ist verlockend weil es vermeintlich Referenzen anbietet aber bitte vergleiche dich nicht mit anderen Trauernden. Das was du von anderen Menschen mit Verlusterfahrung von aussen siehst und wie du sie wahrnimmst muss rein gar nichts darüber aussagen, wie sich diese Person innerlich fühlt und wie es wirklich um ihre Trauer steht. Trauer ist, wie jede Beziehung, unglaublich individuell und einzigartig.
Die Antwort auf die Frage ‚Wie lange dauert Trauer?‘ ist also weniger eine konkrete Zahl oder ein bestimmter Zeitraum, sondern viel mehr der Fokus auf das was uns hilft mit ihr klarzukommen.
Trauer hat kein Verfallsdatum.
Auch wenn dein Verlust schon lange zurückliegt, es ist nie zu spät, sich ihm zuzuwenden und ihm deine Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken. Und scheue dich nicht, (professionelle) Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn du sie brauchst.
Häufige Fragen zur Dauer von Trauer
Wie lange dauert Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen? 🕰️
Es gibt keine feste Dauer. Trauer ist individuell und kann Wochen, Monate oder Jahre andauern – manchmal kommen die Gefühle in Wellen zurück. Jeder Mensch trauert anders, und das ist völlig normal. Wichtig ist, dass du dir erlaubst zu fühlen, was kommt, und dich nicht an starre Zeitpläne hältst.
Wann hört Trauer auf? 🌅
Trauer hört nie ganz auf, denn sie spiegelt deine Verbindung zu der verlorenen Person wider. Mit der Zeit wird der Schmerz oft leichter, und die Erinnerungen werden zu einem Teil deines Lebens, der dich begleitet, aber nicht mehr überwältigt. Trauer verändert sich – und du auch.
Ist lange Trauer ein Zeichen dafür, dass etwas ’nicht stimmt‘? ⚠️
Lange Trauer ist völlig normal und zeigt, wie tief die Verbindung zu der verlorenen Person war. Jede Trauer verläuft individuell und in ihrem eigenen Tempo. Unterstützung durch professionelle Begleitung kann sinnvoll sein, wenn die Trauer sehr stark belastet oder den Alltag dauerhaft einschränkt – nicht weil etwas „falsch“ ist, sondern um den Umgang mit dem Schmerz zu erleichtern.
Wie kann Trauerbegleitung helfen? 🤝
Trauerbegleitung kann dir einen sicheren Raum geben, deine Gefühle zu verstehen und zu verarbeiten. Du lernst Strategien, um mit Wellen von Trauer umzugehen, dich selbst zu unterstützen und Schritt für Schritt wieder Kraft zu schöpfen – ohne Druck, in deinem eigenen Tempo. Hier bekommst du weitere Infos wann Trauerbegleitung sinnvoll sein kann.
Wenn du erleben möchtest, wie es ist ungefiltert über deine Trauer sprechen zu können
Die Wahrheit über deine Trauer aussprechen zu können, kann unglaublich befreiend sein, besonders wenn du das Gefühl hast, dass in deinem Umfeld dafür kaum Platz ist. Wenn Du das erleben möchtest, kannst du mich kontaktieren oder vereinbare gleich ein kostenloses Kennenlerngespräch mit mir.
Sei gut zu dir, besonders wenns schwer ist. ❤️
Wie lange dauert Trauer?